Sonntag, 10. April 2011

Nachlese

...ein paar Gedanken nach dem Ansehen der Sendung bei Arte: Traurig nach der Geburt
von Stephanie Ursula Gogolin, Lüneburg 15.01.2011

(leider habe ich den Film im Netz nicht wiedergefunden, nur den Artikel!)


Überleben allein ist mir zu wenig

Allein schon der Titel der Sendung "Traurig nach der Geburt" geht völlig an dem wirklichen Problem, der dramatischen Isolation von Müttern, vorbei. Das Fehlen jeder wirklichen Unterstützung vor und nach der Geburt, ist in den Fallbeispielen aus Frankreich und Deutschland nicht nur peinlich dargestellt worden, sondern der Beitrag besaß auch im Unterton so eine Art völlig naiven Unrechtsbewusstseins. Das wahrhaft Traurige daran jedoch war, die Akzeptanz dieser absurden Verhältnisse durch die jungen Mütter selbst.

Eigentlich müssen wir bloß den, manchmal nur latent gespürten Mangel benennen und uns das Fehlen, der wesentlichen, aber nicht vorhandenen Komponente ins Bewusstsein rufen, das Nicht-Dasein der Mütter und Großmütter, sowie die in unserer Gesellschaft generell nicht existierende Bereitschaft, das neue Leben in Empfang zu nehmen.

Ein Mangel bedeutet immer, die Nicht-Erfüllung eines Bedürfnisses, welches in diesem Fall unabdingbar zur Grundausstattung unseres Lebens gehört. Das Symptom der Abwesenheit von selbstverständlicher, grundsätzlicher Geborgenheit durch die kollektive Präsenz der Mütter in unserem patri - zivilisierten Leben, fühlt sich für mich, wie ein Gelände in einem gut geführten Tierpark an, es besteht eine relative Freiheit, doch irgendwann stoßen wir an die Gitterstäbe.

Was also ist, wenn wir den Mangel als solches gar nicht mehr wirklich empfinden? Wenn wir nur die Auswirkungen sehen und uns oft nicht erklären können, wo all das her kommt? Alle männlich / patriarchalen Erklärungen von Sokrates bis Freud oder aus religiösen Ideologien haben an dem patriarchösen Desaster nichts geändert, weil Männer nun mal (den Frauen und sich selbst) nicht wirklich das Leben erklären können.

Der grundsätzliche Mangel an Geborgenheit ist in unserer Wahrnehmung nur noch als eine Art Echo aus vergangenen Tagen vernehmbar. Und das ist hier keine Verklärung der (guten) alten Ur-Zeit, sondern der Hinweis darauf, dass, wenn wir nicht bestimmte Gefühlslagen und entsprechenden Handlungsdrang als Mensch einst erlebt und abgespeichert hätten, wüssten wir auch heute nicht um das Vorhandensein von Glück, Geborgenheit und innerer sowie äußerer Freiheit. Mit anderen Worten hätte der Mensch sich nicht bestimmte Gefühlslagen erarbeitet, existierten diese in unserem Dasein auch nicht. Aber vielleicht wären wir dann eben keine Menschen sondern so was wie Ameisen.

Es ist, wie die Berechnung eines existenten Planeten im Sonnensystem, der nicht sichtbar ist. Auf Grund seiner physikalischen Auswirkungen auf seine Umgebung wird klar, da muss etwas sein und Astrophysiker nehmen in so einem Fall ihre Beobachtungen ernst. Wir sollten es auch tun und uns selbst und unsere Beobachtungen und Erkenntnisse ernst nehmen.

Es gibt da nämlich dieses grundsätzliche menschliche Bedürfnis nach eben dieser, menschlichen und mütterlichen Nähe und Geborgenheit als einen Dauerzustand. Das wissen auch eigentlich alle und doch wird in unserer Kultur, dieses essentielle Bedürfnis geleugnet, unterdrückt, verlagert, in virtuelle und abstrakte Sphären verschoben, eventuell auf Sparflamme vorsichtig warmgehalten.

Die, so oft krankmachende, Einsamkeit der Mütter, das Abgetrenntsein von den Quellen der weiblich / mütterlichen Energie ist symptomatisch für unsere gesamte Gesellschaft.

Solidarität unter Frauen ist ein großer Schritt zur Änderung, die Hinwendung zu der verschütteten mütterlichen Ordnung fast schon ein ehrgeiziges Projekt. Aber was wirklich ständig in aller Deutlichkeit immer wieder hervor gehoben werden sollte, ist die konkrete Möglichkeit Töchter, Mütter, Großmütter prinzipiell im ursächlichen Zusammenhang zu denken und zu behandeln.

Es geht um das Erfassen und Umsetzen des Gedanken, dass Frauen (immer) in ihrer (blutsverwandten) Verbindlichkeit und Verantwortung gedacht werden müssen – jede Frau ist eine Tochter und sie hat eine Mutter und Großmutter und vielleicht sogar selbst eine Tochter. Das ist eine biologische Tatsache und die Voraussetzung des Menschseins. Jede ist selbst die gerade agierende Tochter in einer langen Reihe von Ahninnen... und nicht irgendeine, allein existierende, unverbindlich lebende Frau im patriarchösen Dilemma.

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2 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Damals hatte ich keine Zeit für Depression nach der Geburt, hatte voll auf zu tun klar zu kommen.

Ja, natürlich haben die Eltern geholfen....mehr oder weniger....

Es gibt in unserem Leben so viele Mängel....überall auf der Welt.
Vieles davon liegt nicht im Außen, sonder im Inneren, und wir können es uns selbst geben.....worauf wir im Hier und Jetzt, in dieser patriarchalen Gesellschaft um so mehr angewiesen sind.

Natürlich wäre es weitaus besser, wenn die Gesellschaftsform eine andere wäre.....und "das", wäre für uns alle besser, Frau, wie Männer.

Auch haben die Worte oft eine ganz andere Bedeutung bekommen, wie es eigentlich einmal war, und sein sollte.
Das Wort Mutter .......Du kennst das ja....

Das ist alles sehr Schade und traurig, wir können versuchen immer wieder drauf aufmerksam zu machen, und selbst etwas dafür zu tun,.....dass es endlich mal besser wird.....in der Zuzkunft!!

Sei ganz lieb gegrüßt
Rosi

Irka hat gesagt…

Liebe Stephanie,

das war genau der Film, weshalb wir letztlich unseren Verein "Knatsch-wachsen mit Kindern" gegründet haben. Eine Freundin hat jetzt erst mitbekommen, dass sie an einer nachgeburtlichen Depression litt, da war ihr Kind schon locker ein 3/4 Jahr alt. Ich habe immer wieder mit depressiven Phasen zu tun, die nach der Geburt schlimm waren und ich wußte nicht, dass es sowas gibt.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass der soziale Rückhalt einer jungen Mutter diese Erfahrung ersparen kann, sind wir den Weg gegangen, uns zu vernetzen und andere Frauen ins Boot zu holen.

Liebe Grüße

beate